Was ist Wutkraft?
Wut ist eine Kraft und ist dem Element Feuer zugeordnet. Ganz generell ist Wut erstmal neutral. Sie ist ein neutrales Gefühl und wichtig für Antrieb und Lebendigkeit in unser aller Leben. Sie ermöglicht Handlung, sprich wir handeln und werden aktiv: Wutkraft ist eine aktivierende Kraft, die am Ende in gesundem Ausdruck für Klarheit sorgt. Sie sorgt dafür, dass wir unsere Grenzen ausdrücken: „Stop, bis hier hin und nicht weiter!“ Grenzen zu setzen und setzen zu können, kommt aus der Wutkraft. Sie unterstützt uns, eine klare Position zu beziehen. Wenn man eine klare Position bezieht und etwas geht dieser entgegen, dann löst dies ein „Das ist falsch!“ aus. Und wenn ein Umstand als falsch oder ungerecht interpretiert wird, dann setzt man sich ein – für seine Position und damit für sich selbst. Ich bin klar, ich agiere und ich handle.
Ich stehe für mich und meine Position ein.
Wut ist eine Sache des 3. Chakras (Solarplexus)
Das 3. Chakra bildet sich mit und durch unsere Erfahrungen im Alter von 18 Monaten bis 4 Jahre. Hier entwickelt sich Autonomie, Sprache, Impulskontrolle, Toilettengang, Selbstdefinition (Identität, Überzeugungen, Werte), Festhalten und Loslassen. Was es hier von unseren Bezugspersonen braucht, ist Unterstützung für das gesunde Ausbilden von Autonomie, das Schenken von Vertrauen und Ermutigung sowie Spiel. Sein Dämon ist die Scham und sein Recht ist Handlung und Individualität.
Ein Mensch mit einem gesund entwickelten 3. Chakra zeigt folgende Charakteristika:
verantwortungsbewusst und zuverlässig
ausgeglichener, ausdrucksstarker Wille
gesunder Selbstwert mit ausgeglichener Ego-Stärke
warme Persönlichkeit
vertrauensvoll
spontan, verspielt, humorvoll
Ist sich seiner Kraft bewusst
selbstdiszipliniert
stellt sich Herausforderungen
Wenn eine gesunde Entwicklung ausbleibt, dann zeigen sich die genannten Charakteristika entweder im mangelhaften, schwachen Ausdruck oder in einem exzessiven Ausagieren.
Mangelhaft ausgebildete Charakteristika des 3. Chakras
niedriges Energielevel
schwacher Wille, leicht manipulierbar
schlechte Selbstdisziplin und Weiterverfolgung
niedriger Selbstwert
emotionale und/oder physische Kälte
schlechte Verdauung
Anziehung zu Stimulanzien
Opfermentalität, den anderen die Schuld geben
Passivität
Unzuverlässigkeit
Man erkennt, dass wir hier von allem vermeintlich „zu wenig haben“. Im Mangel des Fühlens spielt Wut keine Rolle spielt. Es ist zu viel Passivität und zu wenig Wille, Selbstwert und Selbstdisziplin, sprich zu wenig Selbst und Energie vorhanden, um Handlung hervorzurufen. Stattdessen fühlt man zu Substanzen hingezogen, die diesen Mangel künstlich „ausgleichen“. Wenn wir zu wenig Wutkraft fühlen, dann empfinden wir gleichermaßen auch entsprechend wenig Freude. Alles verschwimmt da in einem ausdruckslos, toleranten, unauthentischen Einerlei, in dem dann auch kein Konflikt möglich ist.
Im autonomen Nervensystem ist dies in der Unterregung anzusiedeln. Dort wo der Mensch eher abgeschaltet ist und sich z.B. depressive Episoden zeigen, emotionale und körperliche Taubheit, Dissoziation. Eben ein zu wenig.
Exzessiv ausgebildete Charakteristika des 3. Chakras
Kontrolle, Dominanz, Aggression
Darauf bestehen Recht/das letzte Wort zu haben
Manipulativ, machthungrig, betrügerisch
Wutausbrüche, Gewaltausbrüche
Starrköpfigkeit
treibender Ehrgeiz
Konkurrenzdenken
Arroganz
Hyperaktivität
Hier kennt man, dass eine Übersteigerung des 3. Chakras ein „zu viel“ beinhaltet: Wutausbrüche, Gewaltausbrüche, Aggression. Auch die anderen deuten auf einen Menschen hin, der leicht reizbar ist und der sich nimmt, was er möchte ohne Rücksicht auf andere Menschen oder deren Standpunkte, Meinung, Gefühle oder Positionen. Wenn wir Umstände nicht ändern können, ist Wut nicht die richtige Kraft. Hier dürfen wir umlernen und uns anderen Kräften bedienen wie Trauer oder Angst und ehrlich mit uns werden und dem was wir wirklich fühlen.
Im autonomen Nervensystem zeigt sich dies in der Übererregung. Dort wo der Mensch angeknipst und ist, zeigen sich z.B. innere Unruhe, Nervosität, Wut, Angst, Panik , Aggression oder Konzentrationsschwierigkeiten. Eben ein zu viel.

Der Zusammenhang zwischen Wut und Grenzen
Wutkraft ist also wichtig. Gesund ausgedrückte Wut ist der Motor für Handlung, für Veränderung. Sie macht uns zum Schöpfer unseres Lebens und bringt uns weg, uns selbst als Opfer unserer Umstände zu sehen. Das blinde Ausagieren dieser Kraft kann zerstörerisch sein. Das Gegenteil davon ist, keine Wut zu fühlen. Dies macht uns handlungsunfähig. Wir fühlen sie nicht, ergo fühlen wir auch keine Grenzen. Und doch sind Grenzen wichtig, um sagen zu können: „Stop, bis hierhin und nicht weiter!“ oder „Nein, das sehe ich anders!“
Wir brauchen Wutkraft, um Grenzen setzen zu können. Und wir dürfen unsere eigene Wutkraft fühlen und kennen (lernen), um die Grenzen einer anderen Person verstehen (lernen) und somit wahren (lernen) zu können, sonst werden wir sie als Ablehnung, Angriff oder Zurückweisung erleben und uns auch in Bezug auf unsere eigene Wut schuldig fühlen.
Wir dürfen verstehen, dass wenn wir Grenzen setzen, wo wir vorher keine gesetzt haben, dies eine Irritation auslösen kann. Denn wir stoßen damit einen Veränderungsprozess an. Wir verändern unser Verhalten und dies verändert eine zwischenmenschliche Dynamik. Es bringt Rigidität in Bewegung und kann erstmal Irritation und Widerstand bei unserem Gegenüber auslösen.
Wenn wir Grenzen spüren, die ein Gegenüber neu und da setzt, wo vorher keine gesetzt wurden, kann uns das ebenfalls zutiefst irritieren und unangenehme Gefühle in unserem Körpersystem hervorrufen. Auch wenn wir kognitiv verstehen und einverstanden sind, dürfen wir auch hier fühlen, dass es in uns einen Widerstand gibt. Hallo Widerstand. Hier gilt es zu üben, das anzunehmen, was ist. Unser Körpersystem ist langsamer als der Verstand und es möchte das nicht! Es will, dass alles so bleibt wie bisher.
Was passiert im Körper, wenn wir wütend werden?
Wenn Wut in uns aufsteigt, dann bedeutet dies zunächst einmal nur eins: Mobilisierung. Das autonome Nervensystem tritt in Aktion. Der Sympathikus wird aktiviert und mobilisiert den Körper, um ihn in Handlung zu versetzen: z.B. der Blutdruck steigt, der Herzschlag beschleunigt sich, der Atem wird schneller und flacher, die Muskeln spannen sich an, man fängt an zu schwitzen. Der Körper fährt hoch, um in Aktion zu treten. Das ermöglicht Handlung.
Wenn jedoch der Stress zu groß wird, der Auslöser zu stark ist, führt uns das in die Übererregung und der Körper macht uns – vereinfacht gesagt - bereit für eine Kampf- oder Fluchtreaktion.
Wut ist eine Kampfreaktion
Kampf - das hört sich erst einmal stark an - und: ist es auch. Eine Menge Energie wird mobilisiert, um das Überleben zu sichern und in den Verteidigungsmodus zu wechseln. Man bleibt zwar im Konflikt, aber nicht in der Verbindung. Man verliert die Verbindung zu sich selbst - und insofern eines vorhanden ist, auch zu unserem Gegenüber.
An diesem Punkt sollte nun die Co-Regulation einsetzen. Es ist schwierig für ein Gegenüber, dies zu durchschauen und neutral zu bleiben. Das ist es aber, was es eigentlich bräuchte. Das Gegenüber einer wütenden Person muss eigentlich „nur“ den Raum halten und neutral bleiben.
In der Theorie einfach, aber in der Umsetzung keineswegs leicht. Denn die Wutenergie ist stark und nicht statisch. Sie erfasst das Gegenüber und löst auch hier eine Reaktion aus. Je nachdem, was diese Person gelernt hat, reagiert sie ebenfalls mit einem der 4 Fs: Fight – Flight – Freeze - Fawn. Ein wechselseitiges Unterfangen. Der Körper ist im Alarm, das Gehirn ist im Alarm. Je nachdem wie stark die darunterliegende Verletzung ist, je stärker die Reaktion.
Das gilt es erstmal zu verstehen: Zwei Menschen reagieren aufeinander. Wenn man es nicht schafft, dies zu erkennen und Abstand zum Geschehen zu nehmen, kann dies zu neuen Verletzungen führen. Genauso kann es natürlich sein, dass eine Person die Situation versteht und versteht, was passiert, aber das Gegenüber nicht. So kommunizieren beide auf unterschiedlichen Ebenen und kommen nicht zu dem Ort, an dem man aus den Geschehnissen lernen und umlernen kann. Sicherheit ist in diesem Zustand nicht mehr gegeben.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass dies nicht persönlich gemeint ist, sondern es darum geht, sich gegenseitig zu co-regulieren, um wieder in die Balance zurückzukehren. Die Balance ist der Ort, an dem man mit objektiverem Blick sieht und an dem man umlernt. Der Ort, an dem man sich sicher fühlt. Denn das ist es, worum es geht: zu lernen, was in einem selbst passiert, den Raum zu schaffen zwischen Reiz und Reaktion, damit man „besser“ werden kann, damit man die Wut transformieren kann:
Die Wut und ihre Botschaft zu verstehen
Die Wut-Autobahn zu verlassen und einen neuen Weg des Umgangs zu finden
Die Verletzlichkeit zuzulassen, die von der Wut beschützt wird, weil sie gelernt hat, dass sie nicht sicher ist
„Ich trage die Verantwortung, mich und meinen Körper in einen sicheren Zustand zurückzubringen, zu regulieren und zu erforschen, was ich denn brauche, um dies tun zu können.“
Es erfordert viel Liebe, Sanftheit und Mitgefühl, aussprechen zu lernen: „Das tut mir weh.“, „Ich habe Angst.“, „Das macht mich unsicher.“ Das spricht man nur aus, wenn man weiß, dass das Gegenüber einen nicht abweist, nicht ablehnt, das Gesagte nicht umdreht und es gegen einen selbst verwendet und damit manipuliert.
Um die Autobahn verlassen zu können, braucht es also erst einmal ein Gegenüber, mit dem man sich sicher fühlt. Wirklich sicher. Von dem man weiß, dass es einen liebevoll betrachtet und co-regulieren kann, ein Gegenüber, das die Wut erlaubt. Und gleichzeitig seine eigenen Grenzen wahrt und sie setzt, wenn es zu viel wird.
Warum?
Es ist wichtig, dass Wut, wenn sie lange vergraben war, nicht gefühlt wurde und nun sichtbar wird, erst einmal ausagiert werden kann, damit man sich akzeptiert fühlt, spürt und erfährt, das man immer noch geliebt wird, auch wenn man wütend ist. Das nennt man eine auf der Basis von Co-Regulation stattfindende korrigierende Erfahrung.
Wenn es jedoch dabei bleibt, sprich: Wut wird ungefiltert und impulsiv ausagiert, dann lernen wir nicht um. Dann übernehmen wir nicht die Verantwortung für unsere Gefühle, sondern haben es uns lediglich im Exzess bequem gemacht. Wir stärken damit einen neuen Weg, der ebenfalls nichts mit einer gesund entwickelten Wut zu tun hat. Wenn es also dabei bleibt und das Gegenüber den Raum hält für das ungefilterte Poltern des anderen, bildet sich ein neues Muster aus: „Ich darf, ich kann, ich agiere aus, wenn mir grade danach ist. Person X hält es ja eh aus.“
Neue Grenzen
Was aber, wenn das Gegenüber an seine Grenzen kommt? Die Dynamik verändert sich. Neue Grenzen kommen ins Spiel und bringen alles Durcheinander. Das Gegenüber kann dies nun nicht mehr länger ertragen kann, weil seine persönlichen Grenzen erreicht sind. „Stop, bis hierhin und nicht weiter.“ Er beendet die Toleranz und Akzeptanz für das das blinde, impulsive Ausagieren des anderen. Dieser hat nun wiederum die Möglichkeit zu entscheiden: einfach so weitermachen oder Reflektion, Umlernen und „Neuverhandlung“ der Beziehung: sprechen, kommunizieren, neue Vereinbarungen für das Wahren der Sicherheit der Beziehung treffen.
Hier beginnt ein neues Level des Lernens.
Wut und Grenzen gehören zusammen
Wut ist immer ein Grenzthema, ein Balanceakt. Man kann davon ausgehen, dass wenn Wut nicht oder wenig fühlbar ist, Grenzen ebenfalls unausgeprägt vorhanden sind. Die Kehrseite der Medaille ist eine übersteigerte Wut mit starren Grenzen. Beide sind unausgeglichen.
Wir können gezielt daran arbeiten, unser 3. Chakra auszugleichen. Dazu gehören körperliche Betätigung und Körperarbeits-Praktiken wie z.B. Joggen, Aerobic, Sit-Ups, Martial Arts, Erdung, Sicherheit und emotionaler Kontakt, Tiefenentspannung und Stresskontrolle (Exzess), Risiken eingehen (Mangel), sowie therapeutische Arbeit:
Wut ablassen und Umgang finden
an Schamgefühlen arbeiten
den Willen stärken
Autonomie fördern
Ego-Stärke aufbauen
Wut wird ambivalent gesehen. Menschen die zu viel Wut zeigenm meidet man in der Regel. Selten versucht man, die Wahrheit in ihrer Wut sehen und verstehen zu wollen. Menschen mit zu wenig Wut erträgt man vermeintlich besser, kann sie leichter manipulieren oder ihre kaum vorhandenen Grenzen überschreiten. Es ist eine Kraft, die mit Macht und Ohnmacht zu tun hat und der gesellschaftlich fehlende Umgang führt dazu, dass bestimmte Machtstrukturen weiter aufrecht erhalten werden (können).
Es liegt also an uns selbst dies zu ändern. Einen anderen Umgang zu finden. Ein anderes Verständnis. Eine neue Perspektive. Umlernen, das 3. Chakra und die Wut in die Balance bringen, Grenzen adäquat setzen.
Wir kontrollieren die Wut und nicht andersrum, die Wut kontrolliert uns. Wenn uns das gelingt, dann beginnen wir wahrhaftig "machtvoll" zu sein.
Möchtest du den Weg mitgehen und einen alternativen Umgang mit Wut erforschen? Möchtest du erfahren, was es mit Wut auf sich hat, wie das ist mit dem autonomen Nervensystem zusammenhängt und vorallem, deinen eigenen Zugang zu deiner Wut und deinen Grenzen zu erforschen und zu experimentieren - garantiert guru-free - dann ist das Format "Experimentier-Raum I Part 1 Wut und Grenzen" vielleicht das richtige für dich. Hier findest du mehr zum Workshop:

-------------------------- Quellen:
Eastern Body Western Mind, Anodea Judith (2004)
Gefühle und Emotionen, Vivian Dittmar (2. Auflage, 2007)
Bin ich traumatisiert?, Verena König (4. Auflage, 2021)
Trauma-Heilung, Peter Levine (1998)
Selbsterfahrung, eigene Gedanken und Wissen (1984-2025)
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